Einreise nach Bolivien

Auch hier auf dem Altiplano kalter, heftiger Wind - und ich dachte, den hätten wir mit Patagonien zusammen hinter uns gelassen. Das chilenische Grenzhäuschen betreten wir durch eine riesige Garage. Vermutlich werden hier die Busse aus Bolivien im Trockenen und Windstillen gründlich untersucht. Auch wir müssen reinfahren, ansonsten ist aber auch diese Ausreise auf 4800 Metern vollkommen unproblematisch und freundlich. Die Grenze wird wohl nicht so häufig genutzt, in der Garage stehen eine Tischtennisplatte und ein Kicker, wohl zum Zeitvertreib der ansonsten gelangweilten Grenzer. Irgendwie kommt die letzte Ausreise aus Chile nun doch plötzlich und der Abschied ist ein bisschen traurig. Auch wenn mir die Argentinier weit mehr ans Herz gewachsen sind, hatten wir in Chile großartige Erlebnisse, die wir nun endgültig hinter uns lassen.

Die Einreise ist ein Stück weiter unten, das Grenzhäuschen ein Klotz im Dreck. Wir kämpfen uns durch den eisigen Wind und stellen fest, dass geschlossen ist. Der Schreck ist groß! Was tun wir jetzt? Da, wo wir sind, im Niemandsland können wir nicht bleiben, viel zu hoch. Einfach rein fahren und morgens wieder zurück? Keine gute Idee, trauen wir uns auch nicht. In unserer Ratlosigkeit versuchen wir es ein zweites Mal. Das Schild mit den Öffnungszeiten ist eindeutig, wir sind zu spät. Hätten die Chilenen uns aber auch mal sagen können... doch auf unser zaghaftes Klopfen hin öffnet uns ein etwas unwillig wirkender und nicht sonderlich redseliger Bolivianer, der am Ende unsere Pässe mit einem Einreisestempel versieht. Puhh, hier schon mal Glück gehabt. Mit tollem Blick auf die Laguna Blanca, für die uns gerade etwas der Blick fehlt, fahren wir die nächsten Kilometer zur Aduana. Auch hier ist zum Glück noch jemand, der uns die Zollpapiere für das Auto ausstellt, nachdem wir gemeinsam ewig die Fahrgestellnummer gesucht haben. In den Kofferraum schaut er auch, wir halten die Luft an wegen der Reservekanister, doch auch ihn scheint irgendwie das Chaos der vielen Kisten abzuschrecken. Er sagt nur fragend "Ropa?" (Kleidung) wir bestätigen, er fragt, was oben in der Box ist, wir erklären ihm, es sei unser Zelt, dann füllen wir alle Formulare aus und er schickt uns zur nächsten Station: Eingang in den Nationalpark.

Puhh, noch mehr Formalismus... doch zunächst der nächste kleine Schock, der Eintritt in den Nationalpark kostet 150 bolivianische Dollar (etwa 21 Euro) pro Person, wir besitzen insgesamt 160 und haben ein Problem. Wir könnten in chilenischen Dollar bezahlen, aber der Kurs ist extrem schlecht. US-Dollar geht auch, da wollen sie 100 von. Wir atmen erstmal tief durch, Hans geht zurück zum Auto, ich bleibe einfach mal sitzen. Die Bolivien-erfahrenen, die wir getroffen haben, haben gesagt, man könne vieles aussitzen. Hier scheint es jedoch ein schlicht klar vorgegebener Preis zu sein, offizielle Nationalparkschilder auch auf Englisch deuten darauf hin. Hans kommt wieder, sagt, er habe noch US-Dollar, was das weit beste Angebot war. Doch die beiden zuständigen inspizieren den Schein sehr genau und lehnen ihn ab. Er sei aus der falschen Serie... erneut tief durchatmen... einer meiner Scheine ist aus einer akzeptablen Serie. Wir kriegen die Eintrittskarten, müssen nur noch unsere Passnummern draufschreiben und in ein Formular unsere Ticketnummer und ebenfalls die Passnummer eintragen. Die Bolivianer sind auf dem besten Wege die Deutschen in Sachen Bürokratie zu toppen. Und wir sind extrem froh, diesen ganzen Aufwand bereits heute zu erledigen und nicht erst am nächsten Morgen, wenn zahlreiche Tour-Anbieter und Touribusse den gleichen Weg nehmen. Wir fragen, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, halbwegs windgeschützt in der Nähe zu übernachten. Alles kein Problem, direkt vor dem Hotel oder an dem Hotel gegenüber. Dass diese Baracke ein Hotel sein könnte, hatten wir nicht in Erwägung gezogen... nun gut,  der einzige halbwegs windgeschützte Platz ist links neben dem Hotel, quasi unmittelbar zwischen den Müllcontainern und dem auch sonst verstreuten Müll. Wir sind so müde und die Höhe ist durchaus anstrengend, dass es uns egal ist. Hauptsache raus aus dem Wind und warm schlafen. Lasse meint mit extrem gutem Humor: "Wir sind die Olchis!" Da in wenigen Minuten auch noch die Sonne weg ist, entscheiden wir blitzschnell die Zwei-Team-Methode: die Männer kochen, die Frauen bauen das Zelt auf. Auch heute klappt das hervorragend, wir sind einfach ein tolles Team. Richtig satt werden wir wohl alle nicht, aber wir machen das Beste aus dem, was wir haben und es tut so gut, noch was Warmes zu  essen. Dabei beobachten wir noch, wie der anwesende Straßenhund am Ende vergeblich versucht, zwei Füchse von den anscheinend seit Jahren dorthin geschmissenen Knochen der Küchenabfälle fernzuhalten.

Anschließend krabbeln wir ins Zelt und wollen noch die zweite Hälfte des Che-Films schauen. Irgendwann kommt ein irgendwie Offizieller, schaut zu unserem Zelt hoch, sieht uns und fragt, ob uns kalt sei. Er erzählt und warnt uns mit wenigen und wenig emotionalen Worten, dass es nachts MINUS 12 Grad  kalt werden wird. Super Info! Plötzlich ist alle Sorge vor der Höhe wie weggeblasen... Ich hole aus allen Kisten alles heraus, was uns noch irgendwie wärmen könnte. Wir ziehen alles übereinander und decken uns mit dem Rest zu. Dann liegen wir im Zelt, es ist noch recht früh, warten darauf, dass es minus 12 Grad wird, zollen Scott und Amundsen unseren vollen Respekt und beschließen "Team Amundsen" zu sein und zu überleben.

Wir schauen dann doch endlich den Che-Film weiter und es ist schon cool, dass er 1952 einige Ort besucht hat, die wir nun auch kennen oder noch kennen lernen. Doch wir sind so müde, dass wir auch heute nicht den ganzen Rest schaffen und schlafen müssen.