Über 4818 Meter (Abra Anticona) nach Lima


Nach der Zahnarztaktion finden wir in Lima ein Einkaufszentrum mit Food Court - und fühlen uns spontan wohl. Lasse findet Brathähnchen mit Reis, Hans isst nur eine Suppe und Liska und ich teilen uns China-Huhn-Gemüse-Reis-Nudeln. So viel anders ist die Auswahl dann hier doch nicht. Wir nutzen das Internet für Organisatorisches und überhaupt und bummeln noch ein bisschen im halbwegs vertrauten Terrain.

Kurz hinter der Stadt fahren wir auf einen schönen Campingplatz im Eukalyptuswald direkt an einem Fluss. Leider wird es recht schnell dunkel und wir haben nicht mehr so sehr viel davon. Doch die irre hohe Schaukel zwischen zwei Bäumen wird noch genutzt. Im Overländer hatten welche geschrieben, dass sie auch im Fluss baden waren. Wir sind uns da nicht mehr so sicher, ob wir das hier überhaupt irgendwo wollen. Überall an den Flüssen waschen die Menschen ihre Kleidung und schlimmer noch, auch ihre Autos und wo das ganze Abwasser aus den Städten und Dörfern hingeht, kann man sich auch an einer Hand abzählen. Und der viele Müll... und wenn man dann noch weiß und gesehen hat, wie selbst in den Bergdörfern die Menschen mit den Giftspritzen über die ach so schön anzuschauenden Äcker gehen. Mir ist nicht nach Baden im Fluss und Obst und Gemüse werde ich weiterhin gut waschen.

Der Besitzer des Campingplatzes - wir sind mal wieder die einzigen Gäste - erklärt uns in fließendem Spanisch, was er noch alles bauen und einrichten will und fragt und erzählt und fragt und erzählt.

In der Nacht gibt es ein heftiges Gewitter, das schadlos an uns vorübergeht, nachdem ich im strömenden Regen noch das Regenvordach aus dem Auto hole und wir es zwischen Sturm und Regen noch halbwegs befestigt kriegen.

Morgens brechen wir früh auf, die Sonne scheint wieder und haben eine hohe Etappe nach Lima vor uns. Es geht über einen 4818 Meter hohen Pass - höher als der Mont Blanc - über den nur wenige Meter tiefer auch eine Eisenbahnlinie führt. 

Von Huancayo über La Oroya, eine Minenstadt, geht es langsam immer weiter bergauf. Teilweise eine sehr schöne und vielfarbige Berglandschaft. Hinter La Oroya, durch das es halbwegs zügig hindurch geht (aber wir kriegen inzwischen schon einen Geschwindigkeitsrausch, wenn die Tachonadel mal 50km/h anzeigt!) und das längst nicht so hässlich ist, wie befürchtet, teilweise liebevoll gestaltet, der entscheidende Anstieg, weiterhin gemächlich in Serpentinen und Spitzkehren, nun aber noch zusammen mit unzähligen LKW und Bussen, die sich im langsamsten Schneckentempo die Straße hochschieben. Auch wenn wir schneller können und etwas mehr Power haben, überholen ist halt nicht ganz einfach, geht zwar, dauert aber und hilft immer nur kurz. Mit 22 km/h erklimmen wir in grandioser Landschaft die Passhöhe - und es bleibt dabei, in Peru geht es einfach nicht schnell voran. Auf der anderen Seite geht es im Grunde bis Lima immer bergab im gleichen Spiel, nur Überholen geht etwas besser. Und hier erleben wir bereits den trüben Küstennebel. Er ist hoch genug und nimmt keine Sicht, aber der blaue Himmel ist leider weg. Auf der Strecke kommen wir an ärmsten Behausungen der Minenarbeiter vorbei. Wirklich krass! Die Häuser in den Bergen waren oft nicht reicher, aber sie hatten fast immer noch irgendwie Platz drumherum, das ein oder andere Tier oder bestellte Äcker im Hintergrund. Es war irgendwie lebendiger und noch menschenwürdiger. Hier ist die Armut zum Greifen nahe spürbar. Links der Straße die Hütten, rechts die Wäscheleine. Mehr nicht. Wir fahren erst oben an einem Canyon lang, bevor sich die Straße runter ans Wasser schraubt und sich wieder erhebt. Über mehrere Kilometer stehen oberhalb des Flusses Blech- und Bambushütten, teilweise nur drei Wände und jeder hat einen Wasserschlauch, aus dem permanent das Wasser schießt. Alles, ALLES Autowäscher, die darauf hoffen, die aus La Oroya kommenden Busse und LKW waschen zu können. Das Wasser kommt direkt aus dem Fluss und wird wohl auch dahin zurückfließen.

Wir übernachten auf einem Campingplatz direkt zwischen Straße und Fluss, der nett gestaltet ist, so dass wir uns selbst an diesem Ort wohl fühlen. Die Frau wäscht uns noch eine Maschine Wäsche, so dass wir mal wieder saubere Hosen und Pullis haben. Abends kochen wir endlich mal wieder Nudeln mit Tomatensoße und Lasse geht mit seiner patagonischen Angel angeln. Immer wieder haben wir Besuch von einem Pferd, das dort frei rumläuft. Hahn, Hühner und natürlich Hunde gibt es auch. Trotz Straßenlärm und Zügen schlafen wir ganz gut und starten am nächsten Morgen in das neue Abenteuer. Nach Pässen, Kurven, Serpentinen, Schrittgeschwindigkeit, Berglandschaften, Höhenrausch, andinen untouristischen, freundlichen Bergdörfern warten nun die Durchfahrt durch Lima und drei Tage Küstenwüste geradeaus auf uns, um jetzt zügig nach Ecuador zu kommen.