Quito - Exit-Game "Verschiffung"


Es ist Montag, in Deutschland der Arbeitstag halb rum und immer noch keine Mail von Mafra. Wir fragen nach, wie der Stand der Dinge sei, was wir genau mit dem von ihm genannten Agenten klären müssen und informieren ihn darüber, dass wir alles innerhalb der nächsten vier Tage geregelt haben müssen, weil wir dann vier Tage im Regenwald kein WiFi haben werden.

Zwischen unserem derzeit eigentlich heiligen Frühstück fliegen nun zwischen Kaffee und Rührei die Mails hin und her. Es stellt sich heraus, dass wir persönlich zu diesem Agenten nach Guayaquil müssen. Das hatte ich bereits von Deutschland aus wiederholt gefragt und nie eine Antwort bekommen. Es hieß immer wieder, eine solche Reise sei nicht so genau zu planen, wir sollen ihm einfach vier Wochen vorher eine Mail schreiben, er kümmere sich dann um alles, die Schiffe richten sich nicht nach unseren Wünschen...

Wir hätten niemals ein Schiff von Manta aus gebucht, wenn wir sowieso nach Guayaquil müssen, wissen auch gar nicht, wie wir diese zusätzlichen Kilometer noch in unseren Zeitplan kriegen sollen und haben langsam die Schnauze voll - wenn wir doch bloß nicht so abhängig wären. Also schreiben wir weiter freundlich und die Zähne fest zusammenbeißend ausschließlich so, wie es die Hinverschiffung gut ermöglicht hat. Schon jetzt plane ich aber, ihm sehr deutlich meine Meinung zu sagen, wenn unser Auto erstmal zu Hause ist.

In einer seiner besserwisserischen Mails schreibt er, wir sollen einfach alles mit dem Agenten abklären und zwischen den Zeilen, er habe das Schiff bereits umgebucht - und da werden wir hellhörig. Denn diese Info haben wir definitiv nicht bekommen. Wir legen ihm quasi in den Mund, uns mitzuteilen, dass die Mail dann wohl nicht angekommen sei und er sie uns nun gnädigerweise noch einmal schickt. Stattdessen schreibt er, wir sollen das alles einfach mit dem Agenten klären. Daraufhin fordere ich ihn auf, mir doch

bitte die neuen Buchungsunterlagen zu schicken, damit wir überhaupt wissen, worüber wir mit dem Agenten sprechen sollen. Er lässt sich dazu herab und ich falle nun bald tot um. Er hat ein Schiff gebucht, das am 29.1. von Manta aus abfährt und wir sollen am 23.1. das Auto bringen. Im Mailverlauf hatte ich bereits dreimal geschrieben, dass wir das Auto gern am 1. oder 2.2. bringen würden, dass wir es bis dahin brauchen, dass uns klar ist, dass wir dafür Lagergebühren zahlen müssen, dass es uns egal ist, wann das Auto letztlich aufs Schiff geht - und nun bucht er uns zum zweiten Mal ein Schiff, dass früher fährt. Mir bleibt nichts anderes übrig, als es ihm mitzuteilen. Daraufhin schreibt er uns beleidigt, dass er ja nicht wissen kann, wie lange wir unser Auto brauchen und wir sollen mit dem Agenten sprechen, vielleicht könne der ein Schiff, das unseren Wünschen entspricht, finden. Ich schreibe ihm, dass wir nun wirklich entsetzt und enttäuscht seien und ihm rechtzeitig, bereits im vergangenen Jahr sehr genau mitgeteilt haben, was wir brauchen. Daraufhin schreibt er uns eine ganz förmliche "Kündigung" unter Berufung auf seine AGB - und wir stehen im Frühstücksraum des Hotels plötzlich ohne Schiff da. Gedanken über Gedanken und ein neues Exit-Game, das es schnellstmöglich zu lösen gilt.

Wir schreiben die Agentin an, die ja eine Buchung von Mafra für uns haben muss.

Wir schreiben Seabridge an, wissend, dass sie nicht von Ecuador verschiffen und bitten um Hilfe.

Hans recherchiert erneut auf der Hapag Lloyd Seite und findet raus, sie haben ein Büro in Quito.

Ich setze das Problem in meinen Status und erhalte unglaublich viele Reaktionen mit möglichen Adressen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen.

Von Seabridge erhalten wir innerhalb kürzester Zeit eine Ansprechpartnerin, die auf die gleiche Reederei zugreift wie die Agentin. Auch sie schreiben wir umgehend an. Der Vorteil bei ihr ist, wir können auf Deutsch kommunizieren. Auf Englisch wissen wir nie so richtig, wieviel verstehen die hiesigen Gesprächspartner wirklich und unser Spanisch reicht dafür nun auch wahrlich immer noch nicht. 

Nachdem weitere Mails hin und hergeflogen sind und wir hier erstmal abwarten müssen, machen wir uns per Taxi auf den Weg zum Hapag Lloyd Büro.

Mit dem Taxi zur falschen Adresse, ein Passant hilft uns mit seinem Mobile weiter, wir finden es nicht, zwei Wachleute suchen die richtige Adresse mit ihren Mobiles, wir fragen, ob einer eventuell dort anrufen und nach der exakten Adresse fragen kann, einer der beiden nimmt uns mit in die Arztpraxis, vor der er gestanden hat, und der Arzt höchstpersönlich ruft bei Hapag Lloyd an und zeigt uns auf seinem Rechner bei Google Maps, wo es ist und wie es dort aussieht, damit wir es auch erkennen.

Wir halten ein neues Taxi an, fahren an die richtige Stelle und erklären dem Pförtner, was wir wollen. Gegen einen Reisepass dürfen wir rein. Die Rezeptionistin schickt uns nach oben. Zwei Schalter, zwei Frauen, kein Englisch. Mit Spanisch-Englisch erklären wir, was wir brauchen und die wirklich hilfsbereite Frau spricht mit der Chefin, die kurz darauf zu uns kommt. Sie erklärt uns, dass wir über sie keinen Container buchen können, aber auch, was wir dafür tun müssen. Wir müssen zu INSA-Shipping und können dort buchen. Sie gibt uns den Kontakt von Monika Parra und ruft diese zuvor an, damit sie Bescheid weiß, dass und warum wir kommen. Sie sagt auch, dass es sein kann, dass Monika dann sie kontaktieren würde, aber dass wir halt nicht direkt über HL buchen können. 

Wir verlassen das Gebäude und fahren eine dritte Etappe Taxi, zum Glück alles in die gleiche Richtung. Bei INSA das gleiche Spiel, Pförtner, großes Eisentor, Rezeptionistin bittet uns zu warten. Kurze Zeit später sitzen wir zu viert auf zwei Stühlen im Büro von Monika Parra, klagen ihr unser Mafra-Leid. Sie hört extrem gut zu und ist der Meinung, dass eine Verschiffung ab Guayaquil gar kein Problem sei. Ab Manta gehe leider nicht.

Was ein Scheiß. Bis Guayaquil bedeutet nach der Dschungel-Lodge drei Fahrtage und den damit verbundenen Stress, ohne noch was von Ecuador zu sehen. Und eine Verschiffung ab Guayaquil würde bedeuten, dass unser gerade hart erkämpfter  Flug nach Galapagos totaler Schwachsinn ist. Wir müssten dann von Guayaquil irgendwie nach Manta kommen, von Manta nach Quito fliegen, dort übernachten, um am nächsten Morgen über Guayaquil nach Galapagos zu fliegen.

 Ein völliger Blödsinn, doch die Priorität ist klar, das Auto muss pünktlich am Hafen sein, damit wir pünktlich nach Galapagos kommen. Und immerhin scheint es eine Möglichkeit zu geben. Sie will uns am nächsten Tag ein Angebot schicken und wir brauchen ein Dokument von der Direccion de Migraciones, wofür sie uns einen Agenten zur Verfügung stellen will, der mit uns dort hingeht. Klingt alles gut, warten wir mal den Preis ab - und auch, was die anderen Optionen noch ergeben. 

Von INSA fahren wir mit dem Taxi zu Positiv Turismo, um Willi persönlich kennenzulernen, uns für all die Umstände zu bedanken und um schon mal die Möglichkeiten auszuloten, die Flüge nach Galapagos nun noch einmal zu ändern. Horror...

Bei Willi im Büro ist es echt nett, alle sprechen Deutsch, wir werden erstmal ein Stück Frust los, Flüge umbuchen, falls es dazu kommt, ist kein Problem, letztlich eine Frage des Preises.

Nach all diesen Aufgaben unseres neuen Exit-Games fahren wir erstmal zurück ins Hotel, checken die Mails bezüglich der anderen Optionen, bevor wir zu Fuß wieder losziehen, um was essen zu gehen - mit WLAN, versteht sich, damit wir nur ja keine Möglichkeit verpassen.

Auch mit Frau Tille, an die wir über Seabridge gekommen sind, geht es weiter. Sie empfiehlt uns einen Agenten in Guayaquil, sagt wir können über sie buchen, der Agent würde auch Manta bedienen, ob wir trotzdem nach Guayaquil müssen und auch einen Preis erfahren wir heute nicht mehr. In Deutschland ist der Arbeitstag zu Ende. Am langsamsten geht es bei der Mafra-Agentin weiter, doch auch da bewegt sich was.

Wir recherchieren selbst, wie und wo wir dieses Ausreiseformular für das Auto bekommen. Können ja schlecht den INSA-Agenten nutzen und dann anderswo buchen. Das wird unsere Aufgabe für den nächsten Tag sein.

Schließlich sind wir so weit, dass wir erstmal nichts weiter tun können und auf Antworten und Angebote warten müssen.

Im Hotel ist Zeit für ein bisschen Schule und die Gedanken kreisen weiter. Hans sieht sich schon alleine in Südamerika bleiben, um nach Galapagos das Auto nach Hause zu kriegen. Im Zusammenhang mit allen Gedankenspielen wird uns klar, dass wir uns bisher keine Gedanken darüber machen mussten, dass unser Auto nur 30 Tage in Ecuador bleiben darf, obwohl 90 normal sind, was plötzlich im schlimmsten Fall zum Problem werden könnte. Die Strafen, diese 30 Tage zu überziehen, sind drastisch. Hans sieht sich schon zurück nach Peru fahren, um neu nach Ecuador einreisen zu können, während wir alleine nach Hause fliegen. Ein Alptraum, obwohl wir klar haben, entweder bleiben wir alle oder keiner.  In diesem Zusammenhang nehmen wir nun auch noch Kontakt per Mail auf zu einem Ort, wo einige Overländer für längere Zeit ihre Autos stehen lassen, um vorübergehend das Land, den Kontinent zu verlassen, bekommen umgehend eine Antwort, schreiben kurz per Whatsapp und telefonieren dann über Whatsapp.

Der Ort liegt 150 Kilometer von der kolumbianischen Grenze entfernt. Das Procedere sieht wie folgt aus. Man fährt bis zur Grenze, geht zum Zoll, reist das Auto offiziell aus Ecuador aus, damit ist das Auto raus aus dem System. Dreht rum und fährt zurück nach Ecuador, stellt das Auto an der Bleibe ab und ist frei, selbst woandershin auszureisen. Kommt man zurück, fährt man mit seinem Auto zur Grenze, reist in Kolumbien ein, dreht quasi rum, reist wieder aus und anschließend mit Auto nach Ecuador wieder ein. Ganz klar wird uns das Procedere auch nicht, besonders legal erscheint es ebenfalls nicht, aber es gibt definitv Leute, die das so gemacht haben und wir klammern uns an jeden Strohhalm. Inzwischen erscheint uns der Gedanke nicht mehr völlig abwegig, unser Auto hier zu lassen und im Sommer nach Ecuador und Kolumbien zu reisen. Immerhin eine Möglichkeit. Eigentlich wollten wir ja jetzt sesshaft werden und nicht mehr reisen, Liska will ein Pferd, Lasse ein Alpaca, ich ein Schwein... aber bei dem Gedanken quasi zwangsweise im Sommer zurückkehren zu müssen, kehrt schon ein bisschen die Abenteuerlust zurück... Wir gehen erstmalig in den Pool auf dem Dach und entspannen etwas.


Neben diesen ganzen eigenen Überlegungen haben wir noch Kontakt zu vielen lieben Freunden, Bekannten, Verwandten, die uns mit weiteren Ideen und Kontakten versorgen. Ein gutes Gefühl, irgendwie wird es gehen. Allerdings schläft Hans eine Nacht schlecht, ich die andere. Urlaub ist das hier definitiv nicht.


Am nächsten Morgen genießen wir das Frühstück und warten auf das Angebot von Monika Parra, schreiben mit den anderen Kontakten. Monika bietet uns an, uns um 15 Uhr mit dem Agenten zwecks des Formulars zu treffen, doch wir machen uns am späteren Vormittag allein auf den Weg, zu Fuß durch die Hitze, um noch was von Quito zu sehen. Im Amt weiß die Frau an der Info, was wir brauchen, auch wenn wir kein Wort verstehen. Sie gibt uns einen kleinen Streifen Papier, mit dem wir in der gegenüberliegenden Mall zur Bank gehen müssen, um sage und schreibe 5 Dollar einzuzahlen. Auch bei der Bank wissen sie genau Bescheid, grinsen wortlos, geben uns eine Quittung, mit der wir zurück zum Amt müssen. Da zur caja, wofür auch immer, dann Schalter zwei, es gibt ein Papier, wir hoffen, es ist das richtige und gehen zurück zum Food Court der Mall, wo es Essen und WLAN gibt, eine nicht mehr wegzudenkende Kombination. Per Whatsapp und Mail schreiben wir mit Monika Parra, die uns inzwischen ein gutes Angebot ab Guayaquil geschickt hat. Während Hans sich inzwischen mit dem verlängerten Weg bis Guayaquil abgefunden hat, widerstrebt es mir weiterhin. Wenn ich von Quito nach Deutschland umziehe, kann es doch nicht sein, dass ich mein Klavier selbst nach Guayaquil zum Container befördern muss. Wir schicken Monika ein Foto des Dokuments und stellen die vorsichtige Frage, ob wir unser Auto nicht einfach in Quito abgeben können. Ihre Antwort kommt zügig - es ist wie ein Wunder, an das wir nicht mehr wirklich geglaubt haben - das ist kein Problem, kostet einige Dollar mehr, spart uns aber drei Tage reines Fahren und ermöglicht uns drei hoffentlich schöne Tage in Ecuador mehr. Wir können es nicht fassen, sollte es tatsächlich noch ein so gutes Ende nehmen? Und der Preis insgesamt ist nicht höher als das Mafra-Angebot... unfassbar.. doch noch halten wir die Emotionen klein, noch ist nichts unterschrieben, wer weiß, wo der Haken ist.

Trotzdem tritt eine gewisse Entspannung und ein Siegesgefühl ein. Wir bummeln noch ein bisschen durch die Mall, gönnen uns noch ein Eis und einen Kaffee und atmen tief durch. Mit Monika vereinbaren wir einen Termin für morgen, verlängern das Hotel um eine Nacht und halten alle anderen Optionen aufrecht und schreiben weiter.

Zurück haben wir keine Lust mehr, uns durch die Hitze zu schleppen und nehmen erneut ein Taxi, besorgen noch notwendige Farbkopien von Hans Pass, Chillen und Schule im Hotel, doch immer noch kreisen die Gedanken. Haben wir alles bedacht? Haben wir alle Unterlagen? Erfüllen wir alle Bedingungen?

Nach einer Pause ziehen wir noch mal los, streifen über den Artesania-Markt und gehen nochmal in den Park. Abends entspannen wir  erneut im Pool auf dem Dach, was echt gut tut.

Morgens packen wir nach dem ausgiebigen Frühstück unsere Kisten, schleppen sie ins Parkhaus, checken aus und fahren selbst zu unserem Termin mit Monika. Im Büro bei ihr checken wir alle Unterlagen, unterschreiben die notwendigen Formulare, leisten eine Anzahlung in bar, die Transferwisezahlung hatte Hans am Tag zuvor bereits vorbereitet. Trotzdem dauert es beim ständig abstürzenden WLAN bei INSA etwas und mehrere Versuche, bis es raus ist. Wir informieren von dort aus Willi, dass wir nun den ersten Flug von Manta nach Quito nicht mehr brauchen und bitten ihn, das nun noch einmal umzubuchen.

In der Hoffnung, nun wirklich alles erledigt zu haben, verlassen wir dankbar und erleichtert und doch vom Stress nicht ganz losgelassen INSA, das WLAN und fahren zum Deutsch sprechenden Zahnarzt, da Hans immer noch wieder Schmerzen hat. Er sieht das Problem als Kontaktproblem von zwei Zähnen, schleift ein bisschen dran rum, verlassen gegen Mittag endlich Quito und werden aller Voraussicht nach pünktlich unser Dschungelabenteuer antreten können.