Night-Life in Dawson

Im Visitor Center geben wir unsere pans zurück und erkennen damit endgültig an, dass wir hier nicht reich werden. Ich lade Teile meiner Texte in den Blog hoch, dann laufen wir durch die Stadt. Noch einmal lassen wir uns in die Goldrushzeit, die hier ein bisschen stehen geblieben zu sein scheint, mitnehmen. Heute ist auch etwas mehr los und mehr Läden haben offen. Dass wir in DEN Treffpunkt der Goldsucher und Touristen "Gertie's" (Bär, Kasino, Shows) nicht reinkommen, weil das Mindestalter 19 ist, hatte Lasse bereits gegoogelt. Liska und ich wollen uns damit nicht so richtig abfinden, es wenigstens versuchen oder zumindest einen Blick reinwerfen. Genau letzteren erhaschen wir, schicke Croupiers, Spieltische, Atmosphäre und keine Chance. Schon auf dem Weg hatte uns der Sourdough-Saloon angesprochen, wo auch definitiv Kinder waren. Wir kehren dort ein und haben einen extrem netten und besonderen Abend in dieser so anderen, durchaus authentisch wirkenden Welt. Ein unglaublich cooler Kellner bedient uns, macht gute Scherze, fragt, was wir trinken wollen, als Bier feststeht und wir keinen Plan haben, bietet er uns an "May I surprise you?" Und gern lassen wir uns überraschen. Er bringt ein extrem dunkles und ein helles Bier mit Orangenscheibe, fragt mich, welches ich will, als hätte er es geahnt, nehme ich das helle. Liska will einen Cocktail, er sagt, er bringe die Karte und sie müsse dann ihre ID zeigen. Da ist sie gerade 18 und hier gilt 19. Sie steigt um auf antialkoholischen Cocktail, weiß nicht, was er ihr anbietet, bekommt eine Probe, die sie dankend ablehnt, aber weiß, es ist so tomatig, es ist genau richtig für Lasse. So bekommt Lasse kurze Zeit später einen wirklich besonderen tomatigen Cocktail mit einem Olivenspieß, einer Stange Grünspargel und einer Bohne. Liska hat letztlich eine fruchtige Mischung. In dem coolen Laden muss man einfach auch was essen. Liska wählt Nachos, wir anderen drei nehmen den Bison-Burger, der richtig lecker und saftig schmeckt. Das Bier lassen wir Lasse probieren, aber die Regeln hier sind absolut eindeutig und streng. Hans dunkles schmeckt ihm, mein helles nicht. Plötzlich taucht oben auf der Galerie ein alter, bärtiger Mann, ein Kapitän auf und ruft irgendwie Leute auf, die nach oben in seine Ecke gehen, dort passiert irgendwas, Fotos werden geschossen, Videos gedreht und dann kommen die Leute mit einem Zettel, einer Urkunde?, einem Zertifikat? wieder. Dann sind die nächsten dran. Liska hat den besten Blick auf das sich ständig wiederholende Szenario und wir werden immer neugieriger, was dort passiert.

Sherlock Liska beobachtet und fragt schließlich am Nebentisch. Sie erfährt die absolut skurrile Geschichte, dass es darum geht, einen Whiskey zu trinken, in dem ein mumifizierter Zeh liegt, den ein Kapitän in den 60er Jahren irgendwo in einer Höhle gefunden hat. Das Opfer oder der Held muss für das Zertifikat beim Trinken mit den Lippen den Zeh berühren, ihn küssen. Warum? Welcher Sinn? Einfach nur skurril, mehr fällt mir dazu nicht ein. Liska will mich anmelden, es geht irgendwie tischweise, aber als ich höre, was ich dafür tun muss, lehne ich dankend ab. Selbst darf sie ja nicht, weil sie zu jung ist. Ich frage den Kellner, "may she kiss the toe?" und er bringt in Erfahrung, sie darf, aber sie darf den Whiskey nicht trinken, der Kapitän oben würde den vorher rauskippen. Liska zögert, ist ja auch irgendwie doppelt schwachsinnig und nur noch das halbe Ritual. Als sie den Preis von 17 Dollar hört, 10 Dollar für den Whiskey und 7 Dollar, um den Zeh zu küssen, lehnt sie dankend ab. Als wir den Saloon verlassen, hat sie noch eine Zeit viel Spaß mit den Damen am Nebentisch, die ihr einstimmig und mit viel Humor dazu geraten haben, es zu tun. Was ein lustiger, unterhaltsamer und irgendwie auch voll in diese Stadt passender Abend.

Sourdough-Saloon
Sourdough-Saloon