Tag des Verfahrens

Wir haben die Übernachtung mitten im Wadi überlebt. Allerdings haben uns Wildkatzen mit ihrem unglaublichen Geschrei eine ganze Zeit lang den Schlaf geraubt und zu lustigen Dialogen zwischen unseren beiden Zelten geführt. Lasse hat mit allen möglichen Tiergeräuschen vergeblich versucht, für Ruhe zu sorgen. Das an sich schon laute und unheimliche Kreischen und Fauchen wurde durch den Hall unserer Höhle noch deutlich verstärkt und es klang wirklich grausig. Ich musste dauernd an die Hexen bei Macbeth denken ...

Abbauen und Einpacken klappt immer schneller und irgendwie passt alles immer besser ins Auto. Wer weiß, wieviel schon verloren gegangen ist. Vielleicht ist auch nur alles mehr und mehr komprimiert durch das ständige Geruckel.

Wir kommen früh los, doch es wird der Tag des Verfahrens. Erstes erklärtes Ziel ist das Schloss von Jabrin. Wir trauen dem TomTom nicht und nehmen die Straße quasi mitten durch, die GoogleMaps empfiehlt. Eine extrem gute und schön geführte Asphaltstraße führt uns in die Berge und endet nach etwa zehn Minuten ohne jede Vorwarnung im Nichts. Ein dicker Steinhaufen markiert das bisherige Ausbauende und ein Schild teilt mit, dass die Weiterfahrt auf eigenes Risiko erfolge. Das Risiko wären wir ja bereit, auf uns zu nehmen, aber es gibt schlicht überhaupt keine einzige Möglichkeit vom Ende der Straße aus die alte Straße zu erreichen. Bei der besten Variante müssten wir eine anderthalb Meter hohe Mauer runterfliegen. Ungläubig drehen wir rum und fahren den bereits bekannten Weg über Al Hamra und kommen nun deutlich später, als ursprünglich geplant, am Schloss Jabrin an. Macht nichts, wir haben Zeit, auch wenn ich heute zwischendurch mal denke, sie werde knapp. Das alte Lehmgemäuer mit seiner typisch arabischen Gestaltung und dem Wirrwarr an Treppen und Räumen, die man alle einzeln betreten und anschauen kann, macht uns allen Spaß. Als wir wieder draußen sind, gehen die anderen drei zur Toilette und ich setze mich an den Rand einer Picknickarea, in der man unter großen Bäumen auf (Kunst-)Rasen im Schatten sitzt. Sofort kommt ein Omani, spricht mich an und lädt mich zu Kaffee und Datteln am Boden sitzend ein. Richtig, richtig cool. Im Rahmen unseres Smalltalks auf Englisch erfahre ich, er ist Tour-Guide. Er fragt mich nach meinem Namen: "What's your name?" und ich antworte: "Ismi Kirsten." Er guckt mich an und sagt völlig abwertend "that's Arabic" ... klang so wie: "Sprich Englisch mit mir!" Da will ich mal einmal mit meinen anderthalb Wörtern Arabisch glänzen und dann will der Araber Englisch sprechen - pah! 

Erst kommen Liska und Lasse dazu, dann auch Hans, schließlich ein weiterer Tourguide und wir sitzen in gemütlicher Runde eine ganze Weile zusammen.

Unsere nächste Station ist Bahla, das von einer 12km langen Mauer eingefasst ist, die (der Legende nach) von Dschinns in einer Nacht errichtet worden ist. Die Festung der Stadt ist absolut beeindruckend, aber wir haben keine Lust mehr, ein weiteres Fort auch von innen zu besichtigen. Wir hatten gehofft, dass die Stadt innerhalb ihrer Mauer irgendwie schön, gemütlich, interessant ist. Aber irgendwie finden wir nichts, was uns anspricht. Am Souq ist nahezu alles geschlossen und es sind auch kaum Menschen unterwegs. Nach einem kleinen Besuch in einer Imbissstube mit Fleisch für Lasse, scharfe, leckere Dreieckssamosas und zwei andere Teile für uns alle verlassen wir Bahla und verfahren uns auf dem Weg ins Wadi Tanuf. So fahren wir wieder einen Teil der Strecke doppelt und wiederholen dasselbe Gespräch - analog zu der legendären von mir in Chile beim Camping vergessenen Wäscheleine. Das Wadi beeindruckt auch mit hohen Felswänden, dem typischen Flussbett mit dicken Kieseln und glatt geschliffenen Felsen, leider ist es trocken. Unsere Lust, heute noch im Wadi zu wandern, geht auch gegen Null. So suchen wir uns nur einen schönen Picknickplatz für die Wassermelone, die wir unterwegs erstanden haben. Während ich gemütlich auf einem Felsen liege, bouldern die anderen drei eine ganze Zeit, bevor wir wieder zurück zu den Ruinen von Tanuf fahren. Die Royal Airforce hat in den 50er Jahren diese Ortschaft auf Bitte des Sultan zerbombt, weil sich hier Aufständige verschanzt hatten, die sich vom Sultanat lossagen wollten. In diesen Lehmruinen laufen wir im Licht der tiefstehenden Sonne ein bisschen herum und fahren anschließend nach Nizwa. In Nizwa navigieren wir - also ich - mit Google Maps zum Hotel und landen in der absoluten Irre der winzigen Straßen, durch die wir irgendwann endgültig nicht mehr durchpassen. Das Wendemanöver auf der Stelle ist mal wieder eine Meisterleistung von Hans. Auch aus den Wirren der engsten Gassen wieder herauszufahren, ist nicht ganz trivial. Schließlich parken wir außerhalb der großen Stadttore und gehen zu Fuß weiter - mit GoogleMaps, das uns auch zu Fuß durch die allerkleinsten, matschigen und dreckigen Zwischenräume zwischen den Häusern führt, bis wir mitten in einer Baustelle stehen. Alles, was an Schuhen und Füßen bisher noch nicht komplett dreckig war, ist nun verstaubt. Aber kurz danach stehen wir vor unserem Hotel, das sehr einladend aussieht und einen großen Parkplatz vor dem Haus hat. Es muss also einen Weg geben. Liska und ich checken ein, Hans und Lasse, die eine Idee haben, wie, holen das Auto.

Beim Betreten des Hotels fühlen wir uns schlagartig wie zu Gast beim Sultan persönlich zur Zeit, die wir kurz zuvor im Schloss Jabrin gesehen haben. Alles ist im omanischen Stil. Die "Lobby" ist ein großer Raum mit einem riesigen Teppich und Kissen außen rum, riesigen Tabletts, auf denen Kaffeekannen und Tassen stehen, man betritt den Raum ohne Schuhe und sitzt auf dem Boden. Unsere Zimmer haben dicke zweiflüglige Holztüren, die mit fingerdicken Riegeln und Vorhängeschloss von außen gesichert sind. Auch innen ist die Einrichtung arabisch. Ich fühle mich wirklich wie im Märchen, in das nur irgendwie die anderen Touristen genauso wenig passen wie wir.

Nach einer echten Dusche fühlen wir uns mit gewaschenen Haaren, eingecremten Körpern und frischer Wäsche, die noch nicht nach Lagerfeuer riecht wie neugeboren und bereit, loszuziehen, um was essen zu gehen. Das Restaurant, in dem wir landen, ist echt schön, die Karte nicht groß, doch wir finden alle was. Leider müssen wir ewig aufs Essen warten, so dass Liska vor lauter Hunger Bauchschmerzen bekommt und danach nur noch ins Bett will. Lasse bleibt auch im Hotel und Hans und ich ziehen noch eine ganze Zeit durch die beleuchteten Straßen und Gassen von Nizwa, wo reger Betrieb herrscht. Überall sind Menschen, aber fast nur Männer. Hell erleuchtet über allem ist das weiße Minarett der großen Moschee von fast überall zu sehen. Die Luft ist so angenehm warm, die Atmosphäre so schön, doch irgendwann fallen auch Hans und ich erschöpft ins Bett in unserem arabischen Zimmer ohne Fenster.